Dienstag, 30. Januar 2018

Hybrides Projektmanagement – brauchen wir ein Metamodell?

In letzter Zeit werde ich immer häufiger von unseren Kunden gefragt, ob hybrides Projektmanagement sinnvoll sei. Ob man damit zu erfolgreicheren Projekten komme und wie man den optimalen Methodenmix findet?

Zunächst möchte ich auf einen für mich wesentlichen Unterschied der beiden zentralen Ansätze aufmerksam machen: Agile Methoden stellen den Kundennutzen, die schnelle Lieferung und die Flexibilität in der Priorisierung von Teilergebnissen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Das klassische Projektmanagement fokussiert das Projektobjekt, das, wie z.B. im Anlagenbau, mit möglichst hoher Sachkenntnis detailliert beschrieben, geplant und punktgenau geliefert wird.


Welche Methode eignet sich im Projektmanagement?

Die beste Methode oder den richtigen Mix zu wählen ist einfach und kompliziert zugleich: Einerseits war es schon immer sinnvoll, die Vorgehensweise an das Projekt anzupassen und nicht umgekehrt. Andererseits erfordert es aber fundierte Kenntnisse der einzelnen Methoden und die Fähigkeit auf der Metaebene zu denken, wenn der Einsatz einzelner Methoden sinnvoll kombiniert werden soll.

Bei Consensa hilft uns dabei der selbst entwickelte Ansatz des prozessorientierten Projektmanagements, der aus meiner Sicht die passenden Fragen für projektspezifische Überlegungen liefern kann. Er bietet unter anderem das Metamodell der vier Prozessebenen in der Projektarbeit. Mit dessen Hilfe lassen sich zunächst die richtigen Fragen stellen, um dann den jeweils passenden Ansatz fürs eigene Projekt auszuwählen:


Produktentstehungsprozess

Die zentrale Aufgabe dieser ersten Prozessebene ist es, Ergebnisse zu liefern, die nachhaltigen Nutzen generieren:
  • Wie sorgen wir für die optimale fachliche Qualität der Projektergebnisse?
  • Wie werden Anforderungen definiert und wer ist daran beteiligt?
  • Wie werden Änderungserfordernisse berücksichtigt?
  • Wie wird sichergestellt, dass das Projektteam alle erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat?
  • Wie und zu welchem Zeitpunkt werden die Ergebnisse abgenommen?
In mehr als 30 Jahren Projektarbeit habe ich viele Beispiele erlebt, in denen die eigentliche Qualität der Projektergebnisse sehr schnell aus dem Augenmerk geriet und im Laufe der Bearbeitung Termin und Kosten sich immer stärker in den Vordergrund drängten.

Die agile Arbeitsweise stellt hier den Kundennutzen in den Vordergrund. In schnellen Lieferzyklen werden direkt nutzbare Teilergebnisse geliefert, überprüft und im besten Fall gleich eingesetzt. Das hilft enorm, um auf das Wesentliche fokussiert zu bleiben. Andererseits spielt die Expertise des Lieferanten und der dazugehörigen Experten (z.B. Prüfingenieure) in klassischen Vorgehensweisen eine deutlich zentralere Rolle. Das kann in sehr komplexen und sicherheitsrelevanten Projekten, wie z.B. dem Anlagenbau, eine große Rolle spielen.

Die einzelnen Schulen beantworten also die oben genannten Fragen sehr unterschiedlich.Folglich ist projektabhängig zu beurteilen, was hier der beste Weg sein kann. So kann z.B. eine genaue technische Spezifizierung im Anlagenbau deutlich sinnvoller sein, als in der Entwicklung einer Website, in der die Flexibilität eines agilen Product Backlogs große Vorteile bringt.

Projektplanungs- und Controllingprozess

Auf dieser Ebene geht es im Wesentlichen um die Frage, in welcher Bearbeitungslogik das Projekt durchgeführt und wie der Fortschritt beurteilt wird.
  • Können wir iterativ (agil) arbeiten oder brauchen wir klar abgegrenzte Phasen?
  • Wie detailliert und wie vorausschauend müssen einzelne Aufgaben geplant werden?
  • Können wir in festen Blöcken (Sprints) arbeiten oder müssen wir die Aufteilung der Zeitschiene von benötigten Ergebnissen abhängig machen?
  • Wie stellen wir fest, ob wir zeitlich und kostenmäßig im Budget bleiben?

Meiner Erfahrung nach ist die Frage nach dem richtigen Vorgehen noch komplexer als die Frage „agil oder klassisch“? Stattdessen sollten funktionale Kriterien berücksichtigt werden, wie z.B. diese: Ist es sinnvoll Teilergebnisse zu nutzen? Wie kann die Akzeptanz der Beteiligten am ehesten sichergestellt werden?

Die Entscheidungen für den richtigen Mix können nur abhängig von der Art des Projektes, der Verfügbarkeit des Projektteams und seiner Einbettung in den Kontext eines Unternehmens und seiner Partner gefällt werden. In vielen Projekten kann die Bearbeitungslogik auch abschnittweise oder in Teilaspekten eines Projektes variiert werden.

Teamentwicklungsprozess

Der Teamentwicklungsprozess hilft, eine optimale Zusammenarbeit des Projektteams zu gewährleisten:
  • Welche Rollen brauchen wir im Team und wie spielen sie zusammen?
  • Wie wird das Team geführt?
  • Wie sorgen wir für gute Kommunikation?
  • Wie sorgen wir für eine transparente Information und Ablage?
  • Wie sorgen wir dafür, dass das Team lernt und sich einzelne Mitglieder persönlich weiterentwickeln können?

Die Zusammenarbeit im Team wird in klassischen Projekten eher von der Projektleitung bestimmt, während in agilen Projekten das Prinzip der Selbstorganisation im Mittelpunkt steht. Interessant ist es auch, sich in der Gestaltung der eigenen Rolle von den Rollen in anderen Ansätzen inspirieren zu lassen. Natürlich kann auch die klassische Projektleitung dem Team so viel Freiheit wie möglich geben und auf diesem Weg optimale Ergebnisse befördern.
Unabhängig von der jeweiligen Schule spielt bei der Ausgestaltung der einzelnen Rollen auch der Reifegrad eines Teams eine wichtige Rolle.

Entscheidungsprozess

Der Entscheidungsprozess sorgt für eine optimale Zusammenarbeit mit Kunden und Auftraggebern und bindet Stakeholder und spätere Nutzer so ein, dass das Projekt nachhaltig erfolgreich wird:
  • Wie arbeiten wir mit Auftraggeber/Sponsor zusammen?
  • Wie binden wir wichtige Stakeholder ein?
  • Wie sorgen wir dafür, dass spätere Nutzer die Ergebnisse umsetzen können?
  • Wie sorgen wir dafür, dass mit dem Projekt einhergehende Veränderungen akzeptiert werden (Changemanagement)?

Die Gestaltung des Entscheidungsprozesses wird in agilen Ansätzen meistens in die Hand des Product Owners gelegt, der mit der oben beschriebenen Komplexität oft überfordert ist. Hier sollte immer geprüft werden, ob es nicht effektiver sein kann, klassische Instrumente wie z.B. einen Lenkungsausschuss zu bemühen, der dann wiederum als Multiplikator für die in
einer Organisation notwendigen Veränderungen dienen kann.

Unabhängig vom jeweiligen methodischen Ansatz habe ich erfahren, dass kulturelle Aspekte (wie z.B Wertschätzung und Augenhöhe) für erfolgreiche Projekte viel bedeutender sind, als die Frage „agil oder klassisch?“. Ich werde diese Frage in einem der nächsten Blogs noch genauer beleuchten.

Hybrides Projektmanagement benötigt Metamodell und kulturelle Entwicklung

Am Ende dieser Überlegungen bleibt festzustellen, dass es bei der Wahl des richtigen Ansatzes kein grundsätzliches „richtig“ oder „falsch“ gibt. Ein sinnvoll gestaltetes hybrides Vorgehen entscheidet punktuell und im Kontext des einzelnen Projektes wie einzelne Methoden kombiniert werden können. Dabei sollte beachtet werden, dass Entscheidungen auf einer der vier Prozessebenen immer auch Entscheidungen auf den anderen Prozessebenen nach sich ziehen. So wird es z.B. kaum möglich sein, einen lupenreinen agilen Projektansatz zu fahren und den Product Owner einfach durch einen klassischen Steuerkreis zu ersetzen, der üblicherweise nur alle zwei Monate tagt. 

Um diese Zusammenhänge zu beachten und nicht nur ein beliebiges Stückwerk von methodischen Fragmenten zu verwenden ist aus meiner Sicht ein Metamodell unerlässlich. Jeder geeignete methodische Weg ob agil, klassisch oder hybrid muss jedoch gleichzeitig am Ende mit einer Kultur exzellenter Zusammenarbeit untersetzt werden, die für den Erfolg eines Projektes immer eine entscheidende Rolle spielt.

Neugierig bin ich wie andere erfahrene ProjektmangerInnen die Frage nach dem Metamodell sehen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich bin sehr gespannt auf Feedback zu diesen Ideen und die dazugehörige fachliche Diskussion.


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